Positionspapier Maritime Sicherheit
Angesichts neuer sicherheitspolitischer Herausforderungen, verstärkt durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, drängen die innenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Union auf eine umfassende Stärkung der maritimen Sicherheit. Auf ihrer Herbstkonferenz in Stralsund wurde ein wegweisender 10-Punkte-Plan verabschiedet, der die Grundlage für eine zukunftsfähige nationale Strategie schaffen soll.
P o s i t i o n s p a p i e r
„Maritime Sicherheit: Freiheit, Wirtschaft und Demokratie schützen.“
Beschluss
vom 27. September 2025
Krieg, Terror und gezielte Angriffe auf kritische Infrastrukturen haben das Sicherheitsgefühl in Deutschland spürbar verändert. Die Bedrohungslage wächst – nicht nur an Land, sondern auch auf See. Als Union stehen wir für einen handlungsfähigen Staat, der Sicherheit gewährleistet, seine Interessen schützt und seine Bürgerinnen und Bürger konsequent vor neuen Gefahrenlagen verteidigt.
Angriffe auf Seewege, Sabotageakte in Häfen und Bedrohungen sensibler Anlagen wie LNG-Terminals sind nicht bloß wirtschaftliche Störungen. Sie sind Angriffe auf unsere freiheitliche, rechtsstaatliche und demokratische Grundordnung. Maritime Sicherheit ist daher keine Nische für Fachpolitiker oder Behörden, sondern eine strategische Kernaufgabe deutscher Innen- und Sicherheitspolitik. Sie betrifft unsere innere Sicherheit, unsere Versorgungssouveränität und unsere geopolitische Handlungsfähigkeit gleichermaßen. Deutschlands Seewege sind unverzichtbar, für Industrie, internationalen Handel und die Energieversorgung unseres Landes. Doch genau diese Lebensadern geraten immer stärker ins Visier autoritärer Regime, krimineller Netzwerke und hybrider Angriffe. Die gezielte Zerstörung von Pipelines, die Aktivitäten der russischen Schattenflotte in der Ostsee sowie die wachsende Unsicherheit auf globalen Schifffahrtsrouten belegen: Die See ist längst Teil der sicherheitspolitischen Konfliktzonen und hybrider Kriegsführung der Gegenwart geworden.
Sicherheit beginnt mit Aufmerksamkeit und Bewusstsein. Betreiber kritischer Infrastruktur müssen gesetzlich verpflichtet werden, verbindliche Sicherheitsstandards einzuhalten und regelmäßig an Notfallübungen teilzunehmen. Dies sollte in enger Abstimmung mit Behörden, Reedereien und Terminalbetreibern erfolgen. Zudem braucht es mehr gezielte Aufklärung in den Küstenregionen über hybride Gefahrenlagen und Cyber-Angriffsvektoren. Darüber hinaus braucht es eine deutlich stärkere sicherheitsbezogene Aufklärung in den Küstenregionen. Die Bevölkerung, Unternehmen und lokale Verwaltungen müssen für hybride Gefahrenlagen, digitale Angriffsformen und verdeckte Einflussnahmen sensibilisiert werden. Maritime Sicherheit ist nicht nur eine Aufgabe des Staates, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Die innenpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Union fordern daher eine entschlossene sicherheitspolitische Neuausrichtung. Deutschland braucht mehr Schutz, mehr Durchsetzungskraft und mehr Aufmerksamkeit für die maritimen Herausforderungen unserer Zeit. Sichere und reibungslos funktionierende Seewege sind für Deutschland von enormer Bedeutung. Der nachfolgende 10-Punkte-Plan skizziert konkrete Maßnahmen zur Stärkung der maritimen Sicherheit auf nationaler und europäischer Ebene.
Maritime Sicherheit ist elementare Staatsaufgabe – 10-Punkte-Plan für mehr Schutz, Ordnung und Souveränität
1. Maritime Sicherheit als sicherheitspolitische Priorität verankern
Die maritime Sicherheit Deutschlands muss endlich den sicherheitspolitischen Stellenwert erhalten, der ihr angesichts wachsender globaler Bedrohungslagen zusteht. Sabotage, Spionage, Terror und staatlich gesteuerte Einflussoperationen über See dürfen nicht länger unterschätzt oder isoliert betrachtet werden. Sie sind Teil eines strategischen Gesamtkonflikts und betreffen unmittelbar unsere nationale Sicherheit, unsere wirtschaftliche Resilienz und unsere außenpolitische Handlungsfähigkeit. Wir fordern daher eine umfassende, ressortübergreifende und sicherheitspolitisch klar priorisierte Überarbeitung der Nationalen Strategie zur maritimen Sicherheit. Diese Strategie muss verbindliche Leitlinien und abgestimmte Zuständigkeiten etablieren, im Zusammenwirken von Innen-, Verteidigungs-, Wirtschafts- und Außenministerium. Die operative Umsetzung bedarf klarer Koordination, die strategische Steuerung muss dauerhaft auf höchster Regierungsebene erfolgen. Deshalb sprechen wir uns dafür aus, die maritime Strategie als integralen Bestandteil der Nationalen Sicherheitsstrategie im Kanzleramt zu koordinieren und klare gesetzliche Zuständigkeiten zu definieren.
2. Kritische maritime Infrastruktur umfassend schützen
Häfen, Pipelines, Unterseekabel, Offshore-Windparks und LNG-Terminals sind systemrelevante Bestandteile unserer nationalen Sicherheitsarchitektur. Sie sichern Energieversorgung, Wirtschaftsleistung und gesellschaftliche Stabilität gleichermaßen. Ihr Schutz hat oberste Priorität. Wir fordern verpflichtende Gefährdungsanalysen für alle maritimen Anlagen in Küstennähe, die Einführung präventiver Sicherheitsstandards nach Maßgabe des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie die Einrichtung dauerhaft überwachter maritimer Schutzzonen. Für einen ganzheitlichen Schutz dieser Anlagen ist eine enge, koordinierte Zusammenarbeit von Landes- und Bundespolizei, Ordnungsbehörden, Zoll, Verfassungsschutz und Bundeswehr unabdingbar. Nur durch abgestimmtes staatliches Handeln kann die Sicherheit unserer maritimen Infrastruktur nachhaltig gewährleistet werden.
3. Drohnenabwehr in sensiblen Küstenzonen ausbauen
Die Bedrohung durch unbemannte Luftfahrzeuge nimmt rapide zu, insbesondere im Umfeld von LNG-Terminals, Tanklagern und Leitungsinfrastruktur. Auf der Konferenz der norddeutschen Innenminister im Juli 2025 wurde ein Programm zur gemeinsamen Drohnenabwehr beschlossen, mit dem Maßnahmen zur Drohnenerkennung, den Einsatz von Störsendern, die gemeinsame Beschaffung von Technik und die Kooperation mit der Bundeswehr entwickelt werden sollen. Außerdem fordern wir umgehend klare gesetzliche Grundlagen für die Drohnenabwehr in den Polizeigesetzen der Länder. Bei der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern befindet sich bereits ein Drohnenabwehrzentrum im Aufbau, um die Abwehrfähigkeit zu bündeln. Im Bereich der maritimen Sicherheit im Rahmen der Gesamtverteidigung Deutschlands, in dem militärischer Bereich und Bevölkerungsschutz einbezogen sind, müssen äußere und innere Sicherheit besser vernetzt und die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern weiter gestärkt werden.
4. Die Bundespolizei See gezielt modernisieren und stärken
Die Bundespolizei See ist der zentrale staatliche Akteur für Sicherheit in unseren Hoheitsgewässern. Wir fordern eine deutliche personelle Verstärkung, den Ausbau ihrer technischen Fähigkeiten, insbesondere im Einsatzbereich von Drohnen, Sensorik und KI, sowie die Erweiterung ihrer Befugnisse zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität, Spionage und Infrastrukturbedrohungen im Rahmen ihrer Aufgabenbereiche im Grenzschutz, der Bahnpolizei, der Luftsicherheit und im Schutz von Bundesorganen, soweit dieses die maritime Sicherheit betrifft.
5. Digitale Lagedominanz: KI, Vernetzung, Echtzeitüberwachung
Der Schutz unserer Seewege und der maritimen Infrastruktur braucht ein digitales Lagebild in Echtzeit. Das Maritime Sicherheitszentrum (MSZ) ist das gemeinsame Kommunikations- und Kooperationszentrum der operativen Kräfte des Bundes und der Küstenländer (Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachen und Schleswig-Holstein) das alle für die maritime Sicherheit zuständigen Behörden und Einrichtungen (Bundespolizei, Zoll, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, Deutsche Marine, Wasserschutzpolizeien der fünf Küstenländer und Havariekommando) vereint. Die Arbeit des MSZ zur Gewährleistung der maritimen Sicherheit auf See im Gemeinsamen Lagezentrum See (GLZ-See) sehen wir als notwendig an, um alle relevanten Behördeninformationen, Sensordaten, Satellitenbilder und KI-gestützte Auswertungen zusammenzuführen und zur frühzeitigen Erkennung verdächtiger Aktivitäten auf See und in Hafenzonen auszuwerten, damit Bedrohungen frühzeitig erkannt und maritime Sicherheitskräfte gezielt eingesetzt werden können.
6. Hybride Angriffe und verdeckte Operationen rechtssicher bekämpfen
Angriffe auf kritische maritime Infrastrukturen erfolgen zunehmend verdeckt und unterhalb der Schwelle eines offenen Konflikts. Deshalb brauchen unsere Sicherheitsbehörden moderne und rechtssichere Instrumente. Wir fordern gesetzliche Grundlagen für verdeckte Ermittlungen, Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und Online-Durchsuchungen bei maritimen Bedrohungslagen. Angriffe auf maritime Infrastruktur müssen strafrechtlich neu bewertet werden, insbesondere auch bei ausländischer Einflussnahme.
7. Hafensicherheit auf ein neues Niveau heben
Unsere Häfen sind neuralgische Punkte für die nationale Sicherheit. Sie dürfen keine Einfallstore für organisierte Kriminalität, Terrorismus oder ausländische Einflussnahme sein. Unsere strategisch wichtigen Häfen sind nicht nur zentrale Tore zur Weltwirtschaft, sondern auch sicherheitspolitisch hochsensible Knotenpunkte, deren Schutz vor Sabotage, Spionage und hybriden Bedrohungen von nationalem Interesse ist. Wir fordern verstärkte Kontrollen durch Zoll und Polizei, den Einsatz mobiler Scansysteme und KI-basierter Analysesoftware zur Risikoerkennung sowie eine konsequente Überwachung digitaler Systeme zum Schutz vor Cyberangriffen auf Hafenlogistik und Steuerungstechnik. Zu den bestehenden international abgestimmten Sicherheitskonzepten für die Sicherheit in Häfen müssen militärisch-polizeiliche Kooperationen im Küsten- und Hoheitsbereich unter Berücksichtigung der neuen geopolitischen Lagen neu gedacht werden.
8. Verteidigungspolitik maritim denken und strategisch ausrichten
Eine strategische Verteidigungspolitik muss maritime Sicherheit konsequent mitdenken. Die Bundeswehr braucht dafür moderne Fähigkeiten, Strukturen und Konzepte. Wir fordern einen stärkeren Einsatz der Marine in Nord- und Ostsee, die Aufstellung spezialisierter Einheiten zur Abwehr von Unterwasser-Sabotage sowie eine strategische Ausrichtung ihrer Aufgaben auf hybride und konventionelle Bedrohungen im maritimen Raum. Zudem muss Deutschland seine sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit NATO-Partnern intensivieren, um internationale Seewege zuverlässig zu schützen – auch durch dauerhafte Präsenz im Mittelmeer und Indopazifik. Die NATO ist in der Ostsee bereits stark vertreten, dennoch bleibt es Aufgabe Deutschlands, eigene Fähigkeiten, Beiträge und Führungsstärke gezielt auszubauen. Nur so können wir Bedrohungen unterhalb der Bündnisschwelle effektiv begegnen und unsere nationalen Interessen auf See souverän wahren.
9. Forschung, Technologie und Ausbildung systematisch fördern
Deutschland soll internationaler Kompetenzstandort für maritime Sicherheit werden. Dafür fordern wir die Stärkung des Bundesinstituts für Maritime Sicherheit in enger Kooperation mit den norddeutschen Küstenländern. Dieses Institut bündelt wissenschaftliche, technische und einsatzpraktische Expertise, entwickelt innovative Sicherheitskonzepte und dient als zentrale Ausbildungs- und Koordinierungsstelle für alle Fragen maritimer Sicherheit. Gleichzeitig müssen Schlüsseltechnologien wie Drohnenabwehrsysteme, Unterwasser-sensorik sowie KI-gestützte Überwachungs- und Frühwarnsysteme gezielt gefördert werden, um technologische Führungsfähigkeit „Made in Germany“ aufzubauen und zu etablieren. Darüber hinaus gehört die Vermittlung maritimer Szenarien verpflichtend in die Aus- und Fortbildung von Polizei, Bundeswehr, Zoll und Katastrophenschutz. Nur durch spezialisierte Fachkräfte, praxisnahe Übungen und ressortübergreifende Schulungen kann Deutschlands maritime Sicherheit langfristig gewährleistet werden.
10. Altmunition in Nord- und Ostsee systematisch räumen
Schätzungsweise 1,6 Millionen Tonnen versenkter Munition aus zwei Weltkriegen liegen noch immer auf dem Meeresboden von Nord- und Ostsee. Sie stellen eine ernste und wachsende Gefahr für Umwelt, Schifffahrt, Fischerei und maritime Infrastruktur dar. Diese Altlasten sind nicht nur ein ökologisches Problem, sondern auch ein sicherheitspolitisches Risiko, insbesondere im Umfeld von Offshore-Windparks, Kabeltrassen und Energieversorgungs-leitungen. Das erste Pilotprojekt des „Sofortprogramms Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee“ der Bundesregierung in der Lübecker Bucht ist inzwischen abgeschlossen. Seit August läuft in der Wismarer Bucht die zweite Pilotierungsphase und parallel dazu entsteht in Rostock das neue Bundeskompetenzzentrum „Munitionsbergung aus dem Meer“, das künftig die zentrale Rolle bei Koordination, Technologieentwicklung und fachlicher Steuerung übernehmen soll. Diese Entwicklung begrüßen wir ausdrücklich, sie darf aber nur der Anfang sein. Wir fordern die rasche Ausweitung des Sofortprogramms zu einem dauerhaft angelegten, ressortübergreifenden Bundesräumungsprogramm in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Küstenländern. Moderne Bergungs- und Entsorgungstechnologien müssen gezielt gefördert, Verfahren rechtlich beschleunigt und dauerhaft finanziell unterlegt werden. Die systematische Beseitigung dieser explosiven Altlasten ist ein Gebot staatlicher Verantwortung, für die Sicherheit kommender Generationen, für den Schutz unserer Meere und für eine sichere Nutzung des maritimen Raums.